For Whom The Bells Toll – Für wen die Glocken läuten

Der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory, warnte vor zu scharfen Tönen bei Debatten über die Todesstrafe. „Seien Sie freundlich! Das wird die Herzen der gläubigen Menschen am ehesten anrühren.“ (Quelle)

Das Wort „Hinrichtung“ impliziert das Recht auf Richten über Leben und Tod. Darüber zu entscheiden, ob jemand lebt oder stirbt, steht keinem zu. Daraus folgt, dass das Töten eines Menschen moralisch verwerflich ist, nicht legitim, sondern illegal, und damit Mord darstellt. Das gilt gleichermaßen für natürliche und juristische Personen wie Institutionen und Staatsmächte.

Mit der Akzeptanz der Bezeichnung „Hinrichtung“ erlauben wir uns eine Anerkennung staatlich ausgeführten Mordes und legitimieren das Töten einzelner Mitglieder unserer menschlichen Gemeinschaft. Diese Zustimmung schafft vermeintlich rechtsbindende Tatsachen und steht nicht im Einklang mit den Grundrechten eines jeden von uns.

Gnade

In dem Bemühen, die Todesstrafe abzuschaffen, ist man permanent genötigt, die geltende Rechtsprechung (verbal) anzuerkennen und eine „ordnungsgemäße“ Verhandlung zur Tötung eines Mörders als rechtens anzusehen und den jeweiligen Rechtsapparat in dem Fall um Gnade zu bitten.

Begnadigungen sind in diesem Sinne widersinnig und menschenrechtswidrig, weil sie nach Wirksamkeit das Recht auf die Anwendung der Todesstrafe implizieren. Mit der Bitte um Pardon gestatten wir den vorangegangenen Strafakt und erkennen ihn an.

Es ist ein Segen, wenn der Bitte um Pardon stattgegeben wird. Es ist erst recht ein Geschenk, wenn – wie im Falle des Präsidenten Salva Kiir von Südsudan – durch dessen Begnadigung 36 Menschen das Leben gerettet wurde.

Motivation des Handelns

Doch es ist bedenklich, dass Menschen wie Salva Kiir das Recht eingeräumt wird, über Leben und Tod anderer zu entscheiden. Kiir hat offenbar aus subjektiven Beweggründen, nach dem Besuch des Papstes, die Begnadigung ausgesprochen und man dankt ihm dafür. In der Übersicht handelt es sich um ein katastrophales Willkür-Geschehen. Würde ihn der Papstbesuch nicht berührt haben, hätte er womöglich den „rechtlichen“ Handlungsspielraum genutzt, die Menschen töten zu lassen.

Um den nicht menschenrechtskonform handelnden Staat und seine ausführenden Organe nicht vor den Kopf zu stoßen, um sie generell ansprechbar zu halten, scheint es erforderlich, sie stetig zu hofieren. Obwohl sie mit ihren Ausführungen gleich handeln wie eine natürliche Person, die einen Mord begeht, treten sie in aller Öffentlichkeit ungestraft völker- und/oder menschenrechtswidrig auf.

Dass zum Beispiel iranische Richter, die an staatlichen Mordtaten gegen das Volk beteiligt sind, die Möglichkeit haben, sich gesundheitlich in westlichen Staaten wie Deutschland in einer Klinik behandeln zu lassen, in einer Privatklinik, die wiederum von einem Bürger iranischer Herkunft geführt wird, der eben jenem Regime nahesteht? Das gleicht einem traurigen Possenspiel.

Gleiches mit Gleichem?

Doch es gleicht dazu einer Gesellschaft, die fähig ist, Gleiches eben nicht mit Gleichem zu vergelten. Wir sind moralisch und rechtlich verpflichtet sowie in der Lage, Menschen für ihre Vergehen in einem fairen Prozess, nach dem Beweis der Schuld und Schuldfähigkeit, zur Rechenschaft zu ziehen und sie mit Konsequenzen und gerechten Strafen zu konfrontieren.

Wir sind nicht genötigt einen Mörder zu ermorden oder einem Kranken oder Verletzten die Tür zu weisen. Wir sind fähig, die Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft und ein Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit einem jeden zuzusprechen. Nur dann sind wir selbst ein unsere Gesellschaft fördernder Anteil und vermeiden es, uns menschlich und moralisch ins Unrecht zu setzen.

Da nichts einen Mord rechtfertigt, gibt es genauso keine Berechtigung zum Töten. Es ist somit unstatthaft und unlogisch, den Mörder zu ermorden. Allein das führt die Todesstrafe ad absurdum.

Das deutsche Grundgesetz

In einer Einführung zum deutschen Grundgesetz von Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, findet sich Folgendes dazu, ob wir befugt sind, einem Menschen die Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft und das Recht auf unversehrtes Leben zu verweigern:

„Das Menschenbild des Grundgesetzes ist von entscheidender Bedeutung für das Verständnis dieser Verfassung. Die Deutschen wollen eine staatliche Gemeinschaft freier Bürger sein, die jeder für sich und als politische Gemeinschaft sich gemeinsam entfalten, eine Gemeinschaft, die jedes menschliche Leben in seiner Existenz und Würde achtet, vom ungeborenem Leben angefangen bis zum Sterbenden: Im Kern gilt dies sogar ungeachtet seiner Taten und Untaten, ungeachtet seiner Staatsbürgerschaft, seiner Herkunft, seines Geschlechts oder seiner Religion. Auch der Greis, dem Völkermord vorgeworfen wird, auch der alte und kranke Diktator von einst, auch der Mörder, Gewalttäter und Betrüger: Sie müssen mit gerechter Strafe rechnen, haben aber immer Anspruch auf ein faires Verfahren. Der Respekt vor den Opfern und vor der Rechtsordnung kann durchaus harte und konsequente Strafen rechtfertigen, aber der Täter wird nicht als Feind aus dem Kreis der Menschlichen ausgegrenzt, sonst hätte manch einer in seinem unmenschlichen Hass gegen die Zivilisation dann doch Erfolg gehabt.“

Sanft, aber beharrlich

Es lohnt sich, mit Kardinal Wilton Gregory in sanften Tönen Jahrzehnte beharrlich für die Abschaffung der Todesstrafe zu kämpfen. Und die Glocken zu läuten für jene, für die der wahre Sieg zu spät kam.

Lasst uns jenen gerecht werden, für die der wahre Sieg im Kampf für Menschlichkeit und echte Rechtsprechung zu spät kam, indem wir mit beharrlicher Freundlichkeit als steten Wind in unseren Segeln für das Leben künftig von Leid und Tod bedrohter Mitbürger leidenschaftlich sachlich kämpfen.

Peter Brauer
Initiative gegen die Todesstrafe e.V.