Ägypten
Die Todesstrafe in Ägypten
Entwicklungen während der letzten Jahre
Mohammed Mursi, erster demokratisch gewählter Präsident Ägyptens, wurde 2013 durch einen vom Militär durchgeführten Putsch entmachtet. Der unter Mursis Amtszeit vorsitzende Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee, Abdel Fattah al-Sisi, trat unmittelbar dessen Nachfolge an und hält das Amt des Präsidenten bis zum heutigen Tag inne.

Nach Machtübernahme kündigte al-Sisi an, die islamistische Muslimbruderschaft, der Mursi zugehörig war, zerschlagen zu wollen. Daraufhin wurden der frühere Präsident sowie zahlreiche Führer, Mitglieder und Sympathisanten der Bruderschaft angeklagt und in Teilen zum Tode verurteilt. Das Todesurteil gegen Mursi selbst wurde einige Zeit später annulliert.
Seit dem Zerfall des Mursi-Regimes 2013 nahmen Verurteilungen mit Folge der Todesstrafe stetig zu – von mindestens 402 im Jahr 2017 auf mindestens 717 im Jahr 2018. Amnesty International gibt an, dass zwischen 2007 und 2016 über 2180 Todesurteile ausgestellt wurden. Es befinden sich momentan wahrscheinlich mehr als 2000 Personen im ägyptischen Todestrakt. Ein Anstieg ist ebenso bei der Vollstreckung der Todesurteile zu verzeichnen. Laut Reprieve sind zwischen 2013 und 2019 159 Menschen hingerichtet worden – im Jahr 2020 waren es bisher 20 (Stand: 01.09.2020).
Damit einhergehend registrierten Experten zunehmend autoritäres Verhalten ägyptischer Richter. Laut UN-Sonderberichterstatterin für Hinrichtungen, Agnès Callamard, entspricht die vermehrte Anwendung der Todesstrafe „willkürlichen Tötungen, die einen möglichen Widerstand in der Bevölkerung brechen sollen“.
Rechtliche Grundlagen
Das ägyptische Rechtssystem basiert auf dem islamischen Recht der Scharia, das die Todesstrafe für diverse Belange vorsieht. Häufig werden Verurteilungen in Massenprozessen, die nur wenige Tage andauern, ausgesprochen. Massenprozesse bringen Verletzungen fairer Gerichtsverfahren mit sich und werden nach internationalem Recht als rechtswidrig angesehen.
In den vergangenen Jahren unterzeichnete Präsident al-Sisi eine Reihe von Gesetzesänderungen, die unverhältnismäßige Gerichtsverfahren, willkürliche Festnahmen sowie unbefristete Untersuchungshaft erleichtern. Gleichwohl verabschiedete al-Sisi weitere Gesetze, die ihn ermächtigten die Vorsitzenden der ägyptischen Justizorgane zu ernennen. Dies betrifft u.a. das oberste Verwaltungsgericht und das Kassationsgericht. Beide galten bis dahin als unabhängige Justizorgane, die auch die Exekutive zur Rechenschaft zogen.
Außergerichtliche Hinrichtungen und Verschwindenlassen
Wie Amnesty International berichtete, sollen Personen, die im Verdacht stehen sich an politisch motivierter Gewalt zu beteiligen, von Sicherheitskräften des Innenministeriums außergerichtlich hingerichtet worden sein.
Das ägyptische Innenministerium gab an, dass mehr als 120 Personen im Laufe des Jahres 2017 bei Schusswechseln mit Sicherheitskräften getötet worden seien. Hierbei kam es in vielerlei Fällen vor, dass die Getöteten zum fraglichen Zeitpunkt bereits in staatlichem Gewahrsam oder Opfer des „Verschwindenlassens“ geworden waren.
Die Methodik des „Verschwindenlassens“ unter Anwendung von Gewalt hat in Ägypten seit 2015 zugenommen. Dabei wurden zahlreiche Personen, darunter Oppositionelle, Studierende, Demonstrierende, politische Aktivisten und sogar Kinder willkürlich inhaftiert. Während der Haft wird jeglicher Kontakt zur Außenwelt verwehrt. Es wurden Fälle bekannt, in denen die inhaftierten Personen von Mitgliedern der Sicherheitskräfte gefoltert und (sexuell) missbraucht worden sind – Methoden zur Beschaffung und Erzwingen von Geständnissen, die unter Verweis auf das Anti-Terror Gesetz eine Basis für Verurteilungen bilden.
Die ägyptische Regierung streitet bis heute jegliche Vorwürfe hinsichtlich bekannter Fälle ab.
Folter und Haftbedingungen
“This is the place where experimental torture is practised. This is the place that when you’re in, there is no out. Words will never do justice to what happens in Egyptian prisons.”
– Ibrahim Halawa (Auszug aus einem Bericht von Reprieve) –
Folter und andere Misshandlungen sind in offiziellen Hafteinrichtungen Teil der Tagesordnung und werden in den Haftzentren des nationalen Geheimdienstes systematisch praktiziert. Laut Berichten von Häftlingen gegenüber Human Rights Watch wurden Verdächtigen die Augen verbunden, sie anschließend entkleidet und mit Handschellen gefesselt, bevor sie mit Elektroschocks an empfindlichen Körperteilen wie Ohren oder Kopf gefoltert wurden. Im gleichen Zug wurden Gefangene mittels Stöcken und Metallstangen physisch misshandelt. Führten genannte Praktiken nicht zu ersehnten Wirkungen, wurden die Dauer der Elektroschocks verlängert oder andere und erheblich empfindsamere Körperregionen wie Genitalien herangezogen. Auf eine weitergehende Beschreibung der Folterungen wird an dieser Stelle verzichtet.
Hinzukommend wurde eine unzureichende medizinische Versorgung in Gefängnissen registriert. Eine Vielzahl an Gefangenen verstarb aufgrund der Verweigerung des Transports in medizinische Einrichtungen und Krankenhäuser.
Hinrichtungsmethode
Der Vollzug der Hinrichtung geschieht in Ägypten mittels Tötung durch Hängen. Berichten zufolge fanden Massenhinrichtungen statt, bei denen bis zu 15 Personen gleichzeitig hingerichtet wurden.
Straftatbestände, welche durch die Todesstrafe geahndet werden können, sind u.a.: (vorsätzlicher) Mord, in Zusammenhang mit Terrorismus stehende Straftaten (diese müssen nicht zwangsläufig in Mord resultieren, um ein Todesurteil nach sich zu ziehen) sowie Drogenhandel, Vergewaltigung, Kidnapping und Spionage.

Gegenüber psychisch kranken Personen sowie Personen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre sind, darf die Todesstrafe nicht verhängt werden. Bei Schwangeren ist die Todesstrafe bis zwei Monate nach der Geburt ihres Kindes auszusetzen.
Quellen und weitere Informationen:
Amnesty International: Jahresbericht 2017/18; Death Penalty Database: Egypt; Reprieve: Spotlight on Egypt; Human Rights Watch: Torture and National Security in al-Sisis Egypt
Stand: September 2020