China
Entwicklung der Todesstrafe während der letzten Jahre
Tausende von Menschen werden in China jährlich hingerichtet. China gilt damit noch immer als das Land, welches weltweit jedes Jahr die meisten Menschen hinrichtet.
Kritisch angemerkt sei hier, dass sich diese Aussagen stets auf die absoluten Hinrichtungszahlen beziehen. Betrachtet man die Zahlen z.B. für das Jahr 2015 in Relation zur Bevölkerungszahl, liegt China selbst bei geschätzten 5000 Hinrichtungen pro Jahr noch hinter den Ländern Saudi-Arabien, Pakistan und Iran.

Todesurteile und Hinrichtungen werden in China als Staatsgeheimnis behandelt. Daher existieren keine genaue Angaben über die Anzahl der jährlich verhängten und vollstreckten Todesurteile.
Die renommierte Menschenrechtsorganisation Dui Hua, die seit 1999 im Dialog mit der chinesischen Regierung steht, schätzte die Anzahl an Hinrichtungen für das Jahr 2018 auf rund 2.000. Im Jahr 2014 ging die Organisation noch von 2.400 Exekutionen jährlich aus.
Trotz der noch immer hohen Anzahl an Hinrichtungen sind dies rückblickend betrachtet positive Entwicklungen. So wurden Schätzungen zufolge im Jahr 2002 noch rund 12.000 Hinrichtungen durchgeführt, fünf Jahre später 6.500 (vgl. Abbildung/Tabelle der Dui Hua Foundation).
Straftatbestände, die mit dem Tod bestraft werden können

In China kann für 46 Straftaten die Todesstrafe verhängt werden. Hierzu zählen Verbrechen wie Mord, bewaffneter Raub, Entführung von Frauen und Kindern oder auch Vergewaltigung. Aber auch gewaltlose Verbrechen wie die „Verschwörung zur Gefährdung der Staatshoheit, des Hoheitsgebiets und der Sicherheit des Landes“, Verrat von Staatsgeheimnissen oder Wirtschaftsverbrechen können mit dem Tod bestraft werden.
Im Jahr 2015 gab die Nachrichtenagentur Xinhua bekannt, dass 9 Straftatbestände von den zuvor 55 aus der Liste der Verbrechen, die mit dem Tod bestraft werden konnten, gestrichen würden.
Hierzu zählen u.a. Waffenschmuggel, Schmuggel von Atommaterial, Währungsfälschung und Prostitutionsstraftaten. Statt mit dem Tod werden diese Verbrechen nun mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe bestraft. Im Jahr 2011 waren 13 Wirtschaftsverbrechen gestrichen worden, die zuvor ebenfalls unter der Todesstrafe standen.
Chinas Rechtssystem
Chinas Rechtssystem und -ordnung wird noch immer maßgeblich durch das Ein-Parteien-System bestimmt: Die Kommunistische Partei Chinas (Communist Party of China) kontrolliert nicht nur das Militär, die Legislative und die Exekutive, sondern übt auch die komplette Kontrolle über das Rechtssystem aus. Da keine Meinungsfreiheit herrscht, ist eine hohe Anzahl an Gefangenen aus politischen Gründen inhaftiert. Dies betrifft insbesondere Kritiker des Staates.
Auch die sozialen Verhältnisse stehen in enger Verbindung mit der Anzahl an Urteilen und Verhaftungen: 10% aller Tötungsdelikte stehen in direktem Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. Angeklagte und Verurteilte sind hierbei keineswegs nur Männer: Auch Frauen werden häufig wegen Verbrechen und Straftaten in Verbindung mit häuslichen Konflikten angeklagt und verurteilt. China hat daher im weltweiten Vergleich einen besonders hohen Anteil an weiblichen Häftlingen: Laut Statistiken der Dui Hua Foundation waren im Jahr 2014 über 100.000 der Gefangenen weiblich. Frauen machen damit in Städten wie Hong Kong bis zu 20 Prozent aller Inhaftierten aus. Je nach Schwere und Art des Verbrechens müssen sie dabei mit bis zu 10 Jahren Haft oder auch Todesurteilen rechnen.
Anklage- und Gerichtsverfahren
Die Anklagen und Gerichtsverfahren sind in China aufgrund der mangelnden Transparenz noch immer schwer durchschaubar. Einiges konnte jedoch über die letzten Jahre offengelegt werden.
Bis zum Anfang des Jahres 2000 musste ein Richter noch nicht einmal über ein rechtswissenschaftliches Studium verfügen. Verdächtigten und Angeklagten wurde während der ersten Polizeiverhöre und auch in den Gerichtsverfahren keine rechtliche Verteidigung zur Verfügung gestellt. Ausländischen Angeklagten wurden Dolmetscher verwehrt.

Erst 2006 wurde per Gesetz beschlossen, dass Todesurteile nur öffentlich und im Beisein von drei Richtern ausgesprochen werden dürfen. Ebenfalls haben Angeklagte seit Anfang 2006 das Recht auf Anhörung. Im Jahr 2012 wurde zum ersten Mal nach 16 Jahren das chinesische Strafrecht geändert und erweitert. Unter anderem soll hierdurch den zum Tode Verurteilten ein besserer und adäquater Rechtsbeistand gewährt werden.
Todesurteile mit sofortiger Wirkung und auf Bewährung
In China gibt es zwei verschiedene Arten von Todesurteilen: Zum einen Urteile mit zeitnaher Vollstreckung, zum anderen Todesurteile auf „Bewährung“. Bis zum Vollzug wird dem Angeklagten in diesem Fall ein zweijähriger Aufschub gewährt. Während dieser zwei Jahre hat der Gefangene Zwangsarbeit zu verrichten. Nach Ablauf dieser Frist entscheiden die Provinzstaatsanwaltschaften je nach Betragen des Gefangenen, ob die Todesstrafe vollstreckt oder in eine lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt werden soll. In eindeutigen Mordfällen wird allgemein keine Bewährung gewährt. Bei einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe handelt es sich in der Regel um 15 bis 20 Jahre Haft.
Zwischen dem endgültigen Urteil und der Durchführung einer Hinrichtung dauert es weniger als ein Jahr. Seit 2007 muss jedes endgültige Todesurteil durch den obersten Volksgerichtshof bestätigt werden.
Hinrichtungsablauf und -methode
Gefangene werden erst einen Tag vor ihrer Hinrichtung von dieser in Kenntnis gesetzt. Familienangehörigen wird der Termin ebenso lange vorenthalten, so dass in den meisten Fällen noch nicht einmal eine Verabschiedung von den Angehörigen möglich ist.

In China wurden Hinrichtungen bis zum Jahr 2001 ausschließlich durch Erschießen (Genickschuss) ausgeführt.
Im September 2001 wurde die Verabreichung tödlicher Injektionen eingeführt. Im Zuge dessen enstanden mobile Hinrichtungseinrichtungen: So pendelten umgebaute Busse zwischen Provinzgerichten und ermöglichten eine zügige Exekution per tödlicher Injektion am jeweiligen Ort.
2009 wurde in Peking die erste permanente Einrichtung zur Verabreichung der tödlichen Spritzen errichtet. Medikamentös setzt sich die Hinrichtungsdosis aus einer Mischung verschiedener Barbiturate, Muskelrelaxantien und Kaliumchlorid zusammen. Aussagen seitens der Regierung im Jahr 2009 zufolge, sollten tödliche Injektionen im zukünftigen Verlauf Erschießungen ersetzen und alleinige Hinrichtungsmethode werden.

Illegale Organtransplantationen
Dennoch gibt es über die prozentuale Verteilung der beiden Hinrichtungsmethoden keine genauen Angaben. Teilweise widersprechen sich auch die Informationen und Vermutungen hierüber. So ging die CADP (China Against the Death Penalty), eine von chinesischen Juristen und Universitätsdozenten gegründete Menschenrechtsorganisation, in ihrem Jahresbericht im Jahr 2012 davon aus, dass nur eine Minderheit durch die tödliche Injektion exekutiert würde. Grund hierfür sei, dass die Methode wesentlich kostenintensiver sei. Zudem ermögliche die Hinrichtung per Giftspritze keine Weiterverwendung von Körperteilen für Organtransplantationen. Organtransplantationen durch die Organentnahme Hingerichteter sei laut CADP noch immer üblich. Organtransplantationen in China durch die (illegale) Entnahme von Körperteilen, auch von hingerichteten Personen, standen eine lange Zeit in der öffentlichen Diskussion und vor allem unter internationaler Kritik. Anmerkung: Ob die Informationen und Vermutungen durch Medien sowie der genannten Organisation den tatsächlichen Fakten entsprechen, kann an dieser Stelle weder überprüft noch bestätigt werden.
Weitere Quellen und Informationen zur Todesstrafe in China:
Amnesty International: „Wenn der Staat tötet: Todesstrafe in China“ , Bericht vom 9. September 2015; Datenbank der Cornell Law School; lesen Sie zu Organtransplantationen auch den Artikel: „Organ transplants: Spare the bullets„, The Economist vom 14.03 2015. CADP (China against Death Penalty): Report 2012; „Annual report 2017“, veröffentlicht im Juni 2018, Dui Hua Foundation.
Quellen und weitere Informationen zu aktuellen Statistiken und Gesetzesänderungen in China finden Sie auf der offiziellen Homepage der Dui Hua Stiftung: The Dui Hua Foundation
Stand: Februar 2020