Irak
Entwicklungen während der letzten Jahre
Die Todesstrafe im Irak wurde nach dem Sturz Saddam Husseins 2003 von der amerikanischen Übergangsverwaltung ausgesetzt. 2004 wurde sie von der irakischen Regierung wieder eingeführt, mit der Begründung, damit die Gewalt im Land eindämmen zu wollen.
Seit Wiedereinführung der Todesstrafe ist die Zahl der Todesurteile und Exekutionen rasant angestiegen. Der Irak zählt damit inzwischen zu den fünf Staaten mit den meisten Hinrichtungen jährlich: Angaben Amnesty Internationals (AI) zufolge wurden im Jahr 2013 mindestens 169 Personen, 2016 mindestens 88 und 2017 mindestens 125 Menschen von der irakischen Regierung hingerichtet.

Erstmals sank die Anzahl an Hinrichtungen im Jahr 2018: Mit „nur“ 52 Hinrichtungen wurden 50 Prozent weniger Todesurteile als im Vorjahresvergleich vollstreckt. Für das Jahr 2019 geht man dagegen wieder von über 100 Hinrichtungen aus.
Die große Mehrheit der Todesurteile wird weiterhin aufgrund vager Anti-Terror-Gesetze ausgesprochen, wie der Vorstandssprecher Oliver Hendrichs von Amnesty International Deutschland bereits im März 2014 mitteilte. Dies bestätigte sich auch im Jahr 2017: Im Rahmen zweier Massenhinrichtungen wurden im September 42 Menschen und im Dezember 38 weitere exekutiert, die wegen terroristischer Aktivitäten zum Tode verurteilt worden waren.
Insgesamt hat sich die Menschenrechtslage im Irak kontinuierlich verschlechtert. Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen, Entführungen und Exekutionen durch den Islamischen Staat dominieren weiterhin die ohnehin instabile Situation in dem Land. Die Regierung antwortet mit Rückschlägen und Todesurteilen aufgrund terroristischer Angriffe.
Verbrechen, die im Irak mit dem Tod bestraft werden können
Verbrechen, die im Irak mit dem Tode geahndet werden können, sind Mord, Gefährdung der nationalen Sicherheit (mit und ohne tödliche Folgen), Entführung und Drogenhandel. Unter der Regierung von Saddam Hussein standen 114 verschiedene Straftaten unter der Todesstrafe, das neue Gesetz ist hier demnach wesentlich gemäßigter als dies früher der Fall war.
Unter dem Anti-Terror-Gesetz können Menschen mit dem Tode bestraft werden, die in irgendeiner Weise mit Terrorismus in Verbindung stehen, wobei hier bereits die Androhung der Gewalt als Terrorismus klassifiziert wird.
Prozessverfahren
Obwohl in der irakischen Gesetzgebung das Recht auf eine adäquate anwaltliche Vertretung verankert ist, sind in der Praxis viele Angeklagte ohne angemessenen Schutz durch einen Anwalt oder haben eine inkompetente rechtliche Verteidigung. Das Außenministerium der USA schrieb hierzu im Jahr 2007, dass Verteidigungsanwälte in der Theorie gestellt würden, Gefangene aber nur selten vor Erscheinen im Gericht zu ihnen Kontakt hätten. Meist geschehe dies aus Sicherheitsgründen. Die Anwälte spielten in kaum einem Verfahren eine wesentliche Rolle.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International geht zudem von regelmäßig durch Folter erzwungenen Geständnissen und Misshandlung der Gefangenen aus.
Laut dem irakischen Gesetz dürfen keine Menschen hingerichtet werden, die älter als 70 Jahre sind. Auch Straftäter, die zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, schwangere Frauen und Frauen, die innerhalb der letzten vier Monate ein Kind zur Welt brachten, dürfen nicht exekutiert werden.
In Todesstrafeverfahren gibt es ein automatisches Recht auf Berufung. Das irakische Recht verlangt, dass Todesurteile innerhalb von 30 Tagen nach Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel ausgeführt werden. Als letzter Schritt wird dem Hinzurichtenden eine rote Karte gemeinsam mit den Unterlagen zum Urteil und einer Information über die direkt bevorstehende Hinrichtung von einem Beamten übergeben.
Hinrichtungsmethode und -ablauf
Die übliche Hinrichtungsmethode im Irak ist Hängen. Das Militärgesetz sowie Gesetz zur internen Sicherheit sieht auch Erschießungskommandos als Exekutionsmethode vor.
Bei einer Hinrichtung müssen ein Richter, ein Staatsanwalt (falls möglich), ein Repräsentant des Innenministeriums, der Gefängnisdirektor, ein Arzt und auf Wunsch der Anwalt des Hinzurichtenden anwesend sein. Die Gefangenen haben das Recht, einen Tag vor ihrer Hinrichtung Besuch von ihren Verwandten zu bekommen. Hinrichtungen dürfen nicht in der Öffentlichkeit und nicht an öffentlichen Feiertagen durchgeführt werden.

Quellen und weitere Informationen:
„Iraq: Shocking surge in 2016 death sentences tops 90 as „terror“ trial closes„, Amnesty International, Pressebericht vom 18. Februar 2016; IgT-News vom 21.02.2016; „Iraq justice ministry announces execution of 22 convicts„, Middle East Eye vom 24. Mai 2016; Jahresbericht zur Todesstrafe 2015, Amnesty International Report 2015/2016; UN Human Rights Comittee; Death Penalty Database der Cornell Law School; „Iraq PM Seeks To Speed Up Death Penalty Implementation„, NDTV vom 23. Juli 2016; „Death Sentences and Executions 2017„, Jahresbericht von Amnesty International, veröffentlicht im April 2018; „Death Sentences and Executions 2018“, Jahresbericht von Amnesty International, veröffentlicht im April 2019; Jahresbericht 2019 und 2020 von Amnesty International.
Stand: Mai 2020