Japan
Entwicklungen der letzten Jahre
Japan ist neben den USA der einzig hoch entwickelte demokratische Industriestaat, der noch an der Todesstrafe festhält.
Japan gibt wenig über ausgesprochene und vollstreckte Todesurteile bekannt. Eine exakte Aussage über die Anzahl der derzeit zum Tode Verurteilten kann daher nicht gemacht werden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ging im Jahr 2017 von insgesamt 124 Insassen aus, die sich in japanischen Todestrakten befinden, von denen mindestens vier hingerichtet wurden.

Im Juli 2018 wurde erstmals seit über 100 Jahren wieder eine Gruppenhinrichtung durchgeführt: Sieben Anhänger sowie der Gründer der Aum-Sekte wurden am 6. Juli gehängt. Für 2018 wurden von der japanischen Regierung insgesamt 15 Hinrichtungen offiziell bekanntgegeben, für das Jahr 2019 drei.
Gerichts- und Anklageverfahren

18 Tatbestände sind es, für die das japanische Strafrecht die Todesstrafe verhängen kann. So wird neben Mord auch Raub, Vergewaltigung und Brandstiftung mit Todesfolge aufgeführt. Terroristische Straftaten ziehen das Todesurteil ebenfalls nach sich.
Gegen Personen, die zur Tatzeit noch keine 18 Jahre alt waren, darf die Todesstrafe nicht verhängt werden. Bei schwangeren Frauen und psychisch Kranken ist die Vollstreckung des Todesurteils auszusetzen, bis die Frau das Kind geboren hat bzw. der psychisch Kranke genesen ist.
Jedoch gibt es keinen angewandten Mechanismus, welcher eine etwaige Geisteskrankheit der Todesintraktinsassen überprüfen würde. Auch sind bereits Verurteilungen und Hinrichtungen geistig Behinderter bekannt geworden: So setzt sich die Hochschulgruppe von Amnesty International in Bochum beispielsweise für den im Jahr 1993 verurteilten Matsumoto Kenji ein. Matsumoto galt mit einem IQ von 60 bereits zum Tatzeitpunkt als geistig behindert und hatte nie verstanden, was ihm überhaupt vorgeworfen wurde.
Im Jahr 2009 führte Japan für Verhandlungen schwerer Straftaten, darunter auch alle möglichen Todesstrafenfälle, ein Laienrichtersystem ein: Diese Fälle werden vor einem Richtergremium bestehend aus drei professionellen Richtern und sechs Schöffen verhandelt. Bei endgültiger Bestätigung eines Todesurteils durch den Obersten Gerichtshof besteht die Möglichkeit zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Jedoch liegen die Hürden dafür dermaßen hoch, dass solche Fälle im einstelligen Bereich liegen. Begnadigungen sind ebenfalls äußerst selten.
Hinrichtungsbefehle werden im Kabinett geprüft. Zumeist erfolgt dies in Sitzungspausen; möglicherweise sollen damit Kritik und öffentliche Debatten vermieden werden.

Anschließend bedarf es für die Vollstreckung noch der Genehmigung durch den Justizminister. Die Verurteilung bei einer Anklage liegt bei weit über 90%. Die japanische Bevölkerung befürwortet mit großer Mehrheit die Todesstrafe. Kritiker meinen, dies sei auf mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema zurückzuführen. Der allgemeinen Bevölkerung seien die Haftbedingungen der Todestraktinsassen, ihre rechtlichen „Möglichkeiten“, das Urteil erfolgreich anzufechten etc., nicht bewusst.
Nach einer Verhaftung werden Gefangene zunächst 23 Tage in Isolationshaft gehalten. In dieser Zeit haben sie weder Zugang zu Anwälten, noch zu anderen Familienangehörigen oder Beratern. Verfolgtes Ziel der Polizeibeamten sollen erzwungene Geständnisse sein, welche die Grundlage für jeden Prozess bilden.
Hinrichtungsablauf und -methode
Gefangene erfahren meist erst am Morgen ihres Hinrichtungstags, dass der Zeitpunkt ihrer Exekution gekommen ist. Angehörige und Anwälte werden in aller Regel erst nach der Urteilsvollstreckung informiert.

Hinrichtungen werden in Japan weder der Öffentlichkeit noch den Betroffenen vorher bekanntgegeben. Die Gefangenen erfahren in der Regel erst eine Stunde vorher von ihrer Exekution. Hinrichtungen erfolgen durch den Strang. Der Verurteilte wird in einen Raum mit einer Falltür geführt, welche vom Nebenraum aus durch Knopfdruck ausgelöst wird. Drei Knöpfe werden von drei Gefängnisangestellten gleichzeitig betätigt, von denen jedoch nur einer tatsächlich das Öffnen der Falltür auslöst. Die Beteiligung an einer Exekution ist Bestandteil des Arbeitsvertrags der Wärter. Es ist ihnen nicht gestattet, sich der Durchführung zu entziehen, wenn sie dafür eingeteilt wurden. Außer dem Gefängnispersonal ist lediglich ein Geistlicher anwesend.
Es gibt sieben Hinrichtungskammern in Japan, die sich in den Vollzugsanstalten der Städte Tokio, Osaka, Hiroshima, Nagoya, Sapporo, Fukuoka und Sendai befinden.
Die Haftbedingungen in den japanischen Todestrakten werden von Menschenrechtsorganisationen immer wieder heftig kritisiert. Den Verurteilten wird jeglicher Kontakt sowohl zur Außenwelt als auch zu Mithäftlingen verweigert. Sie dürfen in ihren videoüberwachten Zellen tagsüber nicht frei umhergehen oder schlafen. Den ganzen Tag haben die Häftlinge in derselben Position kniend oder sitzend zu verharren. Besuch ist, wenn überhaupt, nur von engsten Familienangehörigen unter Beobachtung gestattet.

Quellen und weitere Informationen:
„Wenn der Staat tötet: Todesstrafe in Japan„, Bericht 2020 von Amnesty International; The Death Penalty Project; Mc Curry, Justin: „Japan executes two prisoners amid protests„, The Guardian vom 26. März 2016; „Japan: Zwei Männer durch den Strang hingerichtet„, News der Initiative gegen die Todesstrafe vom 14.07.2017; „129 inmates on death row in Japan at end of 2016„, Japan Today vom 1. Januar 2017; „Japan: Two hanged as secretive executions continue„, Amnesty International vom 19. Dezember 2017; „Death Sentences and Executions 2018„, Jahresbericht 2018 von Amnesty International; Jahresbericht 2019 zur Todesstrafe von Amnesty International.
Stand: Juli 2020