Saudi-Arabien
Das Königreich Saudi-Arabien auf der arabischen Halbinsel gehört weltweit zu den fünf Ländern, in denen die meisten Menschen jährlich hingerichtet werden. 2019 fand im Schnitt jeden zweiten Tag eine Hinrichtung statt, insgesamt wurden mindestens 184 Personen hingerichtet.
Nach Angaben von Amnesty International begründete sich fast die Hälfte aller Hinrichtungen auf „nicht-tödliche“ Verbrechen, wie z. B. Drogenschmuggel oder Blasphemie.

Die Menschenrechtsorganisation Reprieve geht sogar von 72 Prozent aus. Fast die Hälfte aller wegen Drogendelikten zum Tode Verurteilten waren im Jahr 2015 ausländische Staatsbürger.
Die letzten fünf Jahre sahen alles andere als hoffnungsvoll aus: Im Jahr 2015 wurden mindestens 158 Personen hingerichtet, 2016 mindestens 153 Personen, 2017 mindestens 146 und 2018 mindestens 149.
Gesetzesgrundlage in Saudi-Arabien
Islamisches Recht und Scharia
In Saudi-Arabien gilt das islamische Recht: Im Unterschied zu unserem deutschen Rechtssystem gibt es daher keine fixierten Gesetzestexte wie Gesetzbücher (z.B. unser BGB) oder -sammlungen, auf die sich die Rechtssprechung bzw. das Justizsystem stützt.

Gesetzesgrundlage ist stattdessen die „Scharia“, welche auf dem Koran sowie auf überlieferten Reden und dem Handeln des Propheten Mohammeds basiert. Im islamischen Gesetz werden daher auch religiöse Verpflichtungen sowie „gottesdienstliche“ Handlungen der Menschen gegenüber Gott, als auch der Menschen untereinander in einer Gemeinschaft geregelt.
Aufgrund dieses Rechtssystems sowie der engen Ausrichtung an der Scharia bzw. dessen, wie diese in dem Königreich interpretiert wird, stehen auch zwischenmenschliche Handlungen wie Ehebruch oder andere Verhaltensweisen, die z.B. auf eine Nichtgläubigkeit oder Abwendung von Gott hindeuten, unter (Todes-)Strafe.

Somit herrscht in Saudi-Arabien weder eine Religions-, noch Meinungsfreiheit, wie wir sie kennen. Blasphemie (Gotteslästerung), wie auch Apostasie (Abwendung von Gott) stehen genauso unter Todesstrafe wie Ehebruch. Zu weiteren Verbrechen und Straftaten, die mit dem Tod bestraft werden können, zählen terroristische Straftaten und Pläne, Mord, Raubüberfall, Entführung, Vergewaltigung, Verrat; seit 1987 auch die Einfuhr von Drogen, seit 1988 Spionage und Korruption.
Besonders gefährdet sind all jene, die sich der Regierung gegenüber kritisch äußern oder sich ihr entgegensetzen. Aufgrund der Intransparenz der Verhaftungen, Prozesse und ausgeführten Exekutionen ist es schwierig nachzuweisen, ob die angeblichen Straftaten auch den Tatsachen entsprechen.
Religiöse Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten führen zu weiteren Spaltungen, und nicht selten werden auch Regierungskritiker oder Religionsanhänger, welche einer anderen muslimischen Untergruppe als derjenigen der Regierung angehören, aufgrund angeblicher terroristischer Straftaten zum Tode verurteilt.
Gnadenakte sind durch die Angehörigen der Opfer möglich, aber äußerst selten. Sollte es zu einem Gnadenakt kommen, erhalten die Angehörigen der Opfer ein sogenanntes „Blutgeld“, welches die Hinrichtung als Strafmittel ersetzt.
Hinrichtungsmethode und Ablauf

Die übliche Hinrichtungsmethode in Saudi-Arabien ist Enthauptung. Auch Erschießungen und Steinigungen sind möglich, werden jedoch seltener angewandt.
Enthauptungen finden in der Regel auf öffentlichen Plätzen statt. Dem gefesselten Gefangenen werden die Augen verbunden und er muss niederknien. Der Scharfrichter versetzt ihm einen Stoß und schlägt gleichzeitig mit dem Schwert zu.
Beruf: Scharfrichter
Im Mai 2015 wurden per offizieller Stellenausschreibung in Saudi-Arabien acht neue Scharfrichter gesucht. Neben dem Köpfen gehören auch gerichtlich angeordnete Amputationen für Straftaten, welche nicht unter Todesstrafe stehen, zu dem Stellenprofil. Besonderer Qualifikationen bedarf es ansonsten nicht – die Stelle wurde als „religiöse Funktion“ klassifiziert (1).
Scharfrichter ist in Saudi-Arabien ein sehr angesehener Beruf und die Henker sind stolz darauf, ihre Hinrichtungen mit nur einem Schwerthieb durchzuführen: Müsste ein Scharfrichter ein zweites Mal zuschlagen, um den Kopf des Hinzurichtenden vom Rumpf abzutrennen, so würde er dies als persönliche Schande ansehen.
Anklageverfahren und Prozesse
Die Anklage- und Ermittlungsverfahren in Saudi-Arabien finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Richtern bietet sich nicht nur aufgrund der fehlenden Transparenz ein großer Ermessensspielraum, sondern auch aufgrund des islamischen Rechts, da dies an Interpretationen geknüpft ist und sowohl Handlungen, Taten als auch Aussagen immer von einer individuellen Auslegung abhängig sind.

Somit gibt es kaum eindeutig überprüfbare Kriterien oder objektiv nachvollziehbare oder überprüfbare Straftatbestände und Urteilsbegründungen. Angeklagte haben kaum die Möglichkeit sich zu verteidigen und werden von der Außenwelt inkl. Familienangehörigen in der Regel abgeschirmt. Auch Personen, die zum Zeitpunkt der Straftat minderjährig waren, werden von der Todesstrafe nicht ausgeschlossen.
Ein typisches Beispiel für ein Todesurteil nach islamischem Recht in Saudi-Arabien ist der Fall des in Palästina geborenen Künstlers und Dichters Ashraf Fajadh. Fajadh wurde zunächst wegen Blasphemie zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde noch einmal überprüft und die Strafe am 18. November 2015 aufgrund von Apostasie in ein Todesurteil umgewandelt. Urteilsbegründungen beruhen auf angeblich gotteslästerlichen mündlichen Gesprächen, die Fajadh geführt haben soll, als auch auf Gedichtstexten, welche als Apostasie ausgelegt wurden.
Erzwungene Geständnisse und Folter
Erzwungene Geständnisse durch Folter sind ein weiterer Punkt der markanten Menschenrechtsmissachtungen in Saudi-Arabien. Untersuchungen der Organisation Reprieve zufolge geht die Folter so weit, dass Menschen Knochen und Zähne gebrochen werden, bis sie ein Geständnis abliefern.
Quellen und weitere Leseempfehlungen:
„Death Sentences and Executions 2015„, Jahresbericht von Amnesty International, veröffentlicht im April 2016; „Death Sentences and Executions 2017„, Jahresbericht von Amnesty International, veröffentlicht im April 2018; „Death Sentences and Executions 2018„, Jahresbericht von Amnesty International, veröffentlicht im April 2019. (1) Huffington Post/Reuters vom 18.05.2015: „Saudi Arabia is hiring eight new executioners“, F.A.Z. vom 28.11.2015: „Henker gesucht“, S. 9; Bericht von Reprieve: „Justice Crucified: The Death Penalty in Saudi-Arabia“, 2015; „Saudi executions pass 150 this year, nearing 2015 total„, Bericht von Reprieve vom 19.12.2016.
Stand: Juni 2020