Die Todesstrafe: Die psychische Last auf Seiten des Gesetzes (Teil 2)
Nachdem im ersten Teil dieses Blogs die psychischen Belastungen von Anwälten, Jurymitgliedern, Richtern und Gouverneuren im Fokus standen, soll der zweite Teil die emotionalen Belastungen auf Seiten der Person, die die tödliche(n) Aktion(en) ausführen muss, beleuchten. Auch in diesem Blog werde ich „nur“ Bezug auf die Verhältnisse in den USA nehmen.
Der sog. „Executioner“ ist die Person, die das Todesurteil eines Häftlings vollstreckt: den Schalter für den Elektrischen Stuhl kippt, die tödliche Giftmischung bei einer letalen Injektion zum Fließen bringt, dem Erschießungskommando den Schießbefehl gibt bzw. selbst schießt oder das Gas in die Kammer strömen lässt, wenn der Todeskandidat die Hinrichtung durch die Gaskammer wählt.
Schon früher wurde der Beruf des Henkers oder Scharfrichters sehr ambivalent gesehen. So sehr man ihn doch brauchte, so sehr wurde er auch verachtet. In Rom galt der Henker (Carnifex) als Staatssklave und durfte nicht in der Stadt wohnen. Bei den Griechen galt Ähnliches, der Henker durfte ebenfalls keine Wohnung innerhalb der Stadtmauern bewohnen.
Im Orient hingegen wurde dies ganz anders gehandhabt. Der Henker war ein steter Begleiter seines Königs, immer bereit, die Todesstrafe zu vollstrecken, wenn es nötig war. Ein angesehener Bürger.
Obwohl einige Henker stolz auf ihre Taten waren oder zumindest kein Unrecht im eigenen Handeln erkennen konnten, so gab es auch schon damals Gegenbeispiele. Charles Henri Sanson, der während der Französischen Revolution rund 3000 Menschen mit der Guillotine enthauptet hatte, fühlte sich schlecht dabei. Magenverstimmungen, Depressionen und Verzweiflung waren einige seiner beschriebenen Leiden.
Heutzutage erfährt die Öffentlichkeit nicht mehr, wer im Hintergrund dafür sorgt, dass der Häftling stirbt. So ist es zumindest in den Vereinigten Staaten von Amerika. Sogenannte „Secrecy Laws“, Gesetze zur Geheimhaltung, sorgen in vielen US-Bundesstaaten dafür, dass die Personen, die in irgendeiner Weise mit der Hinrichtung zu tun haben, namentlich nicht genannt und somit vor der Öffentlichkeit geschützt werden.
Darunter fallen in einigen Bundesstaaten auch die Medikamentenhersteller und -lieferanten.
Der ehemalige Gefängnisdirektor einer Haftanstalt in Oregon, Frank Thompson, der zwei Hinrichtungen begleitete, sagte einmal, dass die „Berufung“ zum Executioner nicht als Karriereaufstieg oder besondere Leistung gesehen werden sollte. Eher würde er diese Personen als Soldaten bezeichnen, die im Kampf gegen die Kriminalität in einen Raum geschickt werden, um einen Menschen zu töten.
Er führt an, dass die Person, die die Hinrichtung durchführt, dauerhaft damit zu kämpfen hat, als „Freak“ oder Mensch mit zweifel- und fehlerhaften Charakterzügen angesehen zu werden.
Jerry Givens arbeitete 17 Jahre für die Gefängnisbehörde in Virginia und richtete in seiner Amtszeit 62 Menschen hin. Doch die Folgen daraus spürte er erst viele Jahre später und entschied sich dann, sich gegen die Todesstrafe zu positionieren. Die Last seiner Taten muss er heute noch schwer tragen und leidet darunter. „Wenn ich vorher gewusst hätte, was mich als Hinrichter erwartet, ich hätte es nicht getan. Es verlangte mir eine Menge ab. Keiner kann mir erzählen, dass er ein Leben nimmt, nach Hause geht und dann einfach so tut, als wäre alles normal“, so Givens in einem Interview.
Die Einzelheiten einer Hinrichtung sind recht unterschiedlich geregelt in den einzelnen Bundesstaaten, die die Todesstrafe noch im Gesetz haben. Es gibt Gefängnisse mit festen Hinrichtungsteams, andere wiederum stellen sich immer wieder neu zusammen. Auch die Trainingseinheiten bzw. die Intensität der Ausbildung hinsichtlich der Organisation einer Hinrichtung differieren stark.
Auch im Hinblick auf die medizinischen Aspekte stehen einer Haftanstalt für gewöhnlich nur die eigenen Gefängniswärter zur Verfügung. Aus ethischen Gründen sind Ärzte, Krankenschwestern und Anästhesisten so gut wie nie bei einer Hinrichtung anwesend bzw. greifen nicht aktiv ein. Somit sollten die Mitarbeiter einer Haftanstalt, die auch im Rahmen einer Exekution tätig sind, fähig sein, geeignete Venen bei einem Häftling zu finden und die notwendigen Dosen des verwendeten Medikaments vorzubereiten und schließlich zu injizieren.
Das Erschießungskommando ist aus psychologischer Sicht eine besonders problematische Situation. Für gewöhnlich stehen drei bewaffnete Personen bereit zum Schuss, doch nur zwei feuern die tödliche Munition tatsächlich ab und niemand weiß, wer welche Munition verwendet und schließlich die tödlichen Schüsse abgegeben hat. Die dritte „Kugel“ ist ein „Dummy“ und besteht meistens aus Wachs. Diese Ungewissheit kann belastender sein als die Tatsache, zu wissen, man selbst habe den Häftling erschossen.
Und was passiert, wenn eine Hinrichtung nicht so verläuft wie geplant? Wenn die Medikamente bei der Injektion nicht so wirken wie beabsichtigt? Die Hinrichtungen von Joseph Wood (Arizona) oder auch Clayton Lockett (Oklahoma) vor wenigen Jahren verliefen alles andere als normal. Beide röchelten, wanden sich, stöhnten oft viele Minuten lang, bevor sie schließlich starben.
Auch Komplikationen bei Hinrichtungen durch den Elektrischen Stuhl waren keine Seltenheit. Jesse Tafero, der 1990 in Florida hingerichtet wurde, starb qualvoll. Nachdem der Strom floss, ging Taferos Kopf in Flammen auf. Einer der zuständigen Mitarbeiter hatte einen synthetischen Schwamm anstatt eines natürlichen verwendet, der hochgradig entflammbar war.
Auch die ebenfalls in Florida durchgeführte Hinrichtung von Bud Davis auf dem Elektrischen Stuhl verlief keineswegs problemlos. Kurz nach Beginn des Exekutionsprozesses begann er stark zu bluten und erschreckte damit zahlreiche Zeugen.
Solche Eindrücke müssen aber auch die vor Ort verantwortlichen Mitarbeiter verarbeiten und dies oftmals ohne psychologische Betreuung im Anschluss.
Laut der „National Coalition to Abolish the Death Penalty“ leiden rund 31% der Gefängnismitarbeiter, die an einer Hinrichtung beteiligt waren, anschließend unter posttraumatischen Belastungsstörungen. Flashbacks, Albträume und viele andere Symptome, die man dieser Erkrankung zuordnen kann, quälen diese Menschen nach einer Exekution. Nicht selten kommt es anschließend auch zu übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum, um den seelischen Schmerz zu betäuben. Einen Menschen zu töten, kostet Überwindung, auch – oder vielleicht besonders dann – wenn der Tötungsakt durch das Gesetz erfolgt.
Melanie Schwarz
Initiative gegen die Todesstrafe e.V.
Verwendete Quellen:
„Das Buch vom Töten – Über die Todesstrafe“, Helmut Ortner, 2013
https://verdict.justia.com/2013/10/25/weight-capital-punishment-jurors-justices-governors-executioners
25.10.2013, Paula Mitchell)
https://www.vice.com/en_us/article/bnpxp5/how-do-you-get-a-job-as-an-executioner-in-america-526
(27.05.2015, Mike Pearl)
https://www.swr.de/swr2/wissen/henker-und-scharfrichter/-/id=661224/did=11889244/nid=661224/1ip7p0y/index.html
(15.08.2013, Joachim Meißner)
https://www.nashvillescene.com/news/features/article/20998258/the-psychological-burden-of-the-death-penalty
(29.03.2018, Steven Hale)
21.06.2018