Präsidentschaftswahlen und Volksentscheide in Kalifornien, Nebraska und Oklahoma (1)
Welche Auswirkungen könnten die Wahlergebnisse auf die Entwicklung der Todesstrafe haben?
Teil 1
Die diesjährigen Präsidentschaftswahlen in den USA wurden in diesem Monat entschieden: Als 45. Präsident wird Donald Trump am 20. Januar des kommenden Jahres in das neue Amt eingeführt. Menschenrechtler beschäftigen sich natürlich zwangsläufig mit der Frage, welche Auswirkungen dieser Wahlausgang auf alle zum Tode Verurteilten wie auch auf das amerikanische Justizsystem grundsätzlich haben wird.
Bekannt ist, dass der Republikaner ein eindeutiger Befürworter der Todesstrafe ist, diese als gerechte Strafe und darüber hinaus als ein abschreckendes Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung ansieht. Hinrichtungen per letaler Injektion empfindet Trump nach eigenen Aussagen in einem Interview sogar als „zu komfortabel“. Natürlich lässt dies Gegner der Todesstrafe zusammenzucken, zumal in mehreren amerikanischen Bundesstaaten die Beschaffungsproblematik der Hinrichtungsmedikamente vermehrt Stimmen laut werden ließ, welche alternative oder bereits zuvor angewandte Hinrichtungsmethoden wie Erschießen, den elektrischen Stuhl oder auch Hinrichtungen per Gas forderten.
Unmittelbare und zeitnahe Konsequenzen wird es vermutlich dennoch erstmal nicht geben, denn der Präsident ist weder befugt, über eine Änderung der Hinrichtungsmethoden zu entscheiden, noch über die Abschaffung oder Weiterführung der Todesstrafe in den jeweiligen Bundesstaaten. Direkte Entscheidungsmöglichkeiten hätte er auf Bundesebene – dies würde im Falle etwaiger Änderungen die aktuell 62 zum Tode verurteilten Bundesgefangenen betreffen, nicht jedoch die große Mehrheit der gesamten amerikanischen Todestraktbevölkerung, die sich derzeit auf rund 2900 Insassen beläuft.
Dennoch wird die Amtsübergabe – sofern sie erfolgreich im Januar erfolgen wird – eine Vielzahl an Veränderungen mit sich bringen, und natürlich hat auch bereits die allgemeine Einstellung, Haltung und Zielsetzung des jeweils amtierenden Präsidenten unmittelbare Auswirkungen sowie indirekten und direkten Einfluss auf alle gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bereiche.
Amerikas Gesellschaft befindet sich seit langem im Umbruch, ist gespalten in sich selbst, wie auch die diesjährigen Entwicklungen und Geschehnisse erneut zeigten. Als Beispiel erinnere man sich an die Polizeimorde, ihre oftmals willkürliche Haltung und rassistische Einstellung, wie auch die faktisch belegte und damit objektiv bestehende Ungleichbehandlung der amerikanischen Bevölkerung aufgrund von ethnischen Unterschieden. Einer Umfrageanalyse der Nachrichtenagentur BBC zufolge stimmten 88 Prozent aller schwarzen Wähler für Hillary Clinton, während lediglich 8 Prozent dieser ihre Stimme für Donald Trump gaben. Die Zahlen sprechen für sich. Donald Trump wurde bezüglich seiner Ansichten und Lösungsmöglichkeiten zur Bekämpfung von Rassismus und Ungleichheit befragt. Er wäre sich der Ungleichheit ebenso wie der Polizeigewalt bewusst, so Trump in seinem Interview. Dennoch sähe er als einzige Lösung die Stärkung des Polizei- und Sicherheitsapparates, dem man mehr Macht zuteilen müsse.
Aus Sicht vieler Menschenrechtler und dabei keineswegs nur ausschließlich derer, die sich mit dem amerikanischen Justizsystem auseinandersetzen oder sich für die Abschaffung der Todesstrafe engagieren, rief das Wahlergebnis aus verschiedenen Gründen tiefe Besorgnis hervor: So ist Donald Trump nicht nur für seine Rigorosität in Bezug auf Hinrichtungen und den Einsatz und Gebrauch von Waffen bekannt, sondern auch für seine Pressefeindlichkeit, die er bereits in den verschiedenen Vorwahlkämpfen deutlich zum Ausdruck brachte. Nicht nur Kritik an Journalisten, auch ungerechtfertigte Angriffe gegenüber Zeitungen, Moderatoren und der Presse allgemein unter Androhung legaler Konsequenzen veranlassten inzwischen die weltweit größte und älteste Schriftstellervereinigung PEN America zu einem Aufschrei. Befürchtet wird eine Unterdrückung der Presse und damit auch eine allgemeine Gefährdung der Presse- und Meinungsfreiheit insgesamt. Dem Präsidenten wird damit bereits vor der Amtsübergabe vorgeworfen, selbst die Grundprinzipien der amerikanischen Verfassung nicht zu achten.
Gerade Menschenrechtler wissen, welche enorme Bedeutung die Medien zur Offenlegung, Aufklärung und Information für die Gesellschaft haben und welche Rolle sie bereits für das amerikanische Justizsystem spielten. Denn nicht zuletzt haben die Medien dazu geführt, dass etliche Justizmängel wie willkürlich oder fälschlich ausgesprochene Todesurteile oder verpfuschte Hinrichtungen durch den Einsatz fraglicher Exekutionsdrogen publik wurden. (Lesen Sie hierzu den zuvor veröffentlichten Blog auf unserer Webseite.)
Die Neuordnung des obersten amerikanischen Gerichtshofs
Einen bedeutenden Einfluss auf das amerikanische Justizsystem wird die Amtsübernahme Trumps insbesondere durch die bevorstehende Neuordnung des obersten amerikanischen Gerichtshofes haben. Denn seit dem Tod Antonin Scalias im Februar dieses Jahres befindet sich der US Supreme Court im Umbruch und wartet auf die Nominierung des fehlenden neunten Richters. Dies stellte bereits eine Sondersituation dar, denn Scalia galt als einer der konservativsten Richter, womit der Ersatz durch einen vergleichsweise liberaleren und moderateren Richter zu einer entscheidenden Kehrtwende führen könnte. Dies war nicht zuletzt auch ein großer Hoffnungsschimmer für alle Gegner der Todesstrafe, welche hofften, dass diese eines Tages auf oberster Ebene als verfassungswidrig erklärt werden könnte und damit amerikaweit einen sofortigen Stillstand bewirken würde. Durch den Tod Scalias nahezu zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl war dies nicht unrealistisch, denn die Verfassungsklagen aufgrund willkürlich gefällter oder als Folge von Justizirrtürmern falsch ausgesprochener Todesurteile mehrten sich über die vergangenen Jahre, so dass es aus juristischer Sicht immer fraglicher wurde, ob Exekutionen grundsätzlich überhaupt noch als verfassungskonform anzusehen sind. Nicht verwunderlich, dass selbst Stephen Breyer, ein weiterer im Amt befindlicher Richter des Obersten Gerichtshofes, die Todesstrafe insgesamt als überdenkenswert ansieht. Eine Reihe in der Vergangenheit die Todesstrafe betreffenden Verfassungsklagen sind oftmals mit einer 5:4 Entscheidung abgewiesen worden, womit die entscheidende neunte Stimme eine sehr bedeutende Rolle einnimmt. Barack Obama hatte bereits kurz nach dem Versterben Antonin Scalias im März dieses Jahres den als liberal geltenden Merrick Garland nominiert. Auf politischer Ebene wurde dies jedoch unterbunden, um die Neunominierung dem neu gewählten Präsidenten zu überlassen. Dass sich der Republikaner Donald Trump dem Nominierungsvorschlags Obamas anschließt, ist seiner Haltung und Einstellung entsprechend wohl eher unwahrscheinlich.
Es verbleibt weiterhin die Möglichkeit, dass die einzelnen Bundesstaaten selbst die Todesstrafe abschaffen, worauf auch der amtierende Präsident keinen direkten Einfluss hätte.
Genau diese Möglichkeiten hatten zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl die Bürger der drei amerikanischen Bundesstaaten Kalifornien, Nebraska und Oklahoma. So konnten sich diese per Volksentscheid für die Abschaffung der Todesstrafe oder aber deren Beibehaltung entscheiden. Gegner der Todesstrafe hatten entsprechend viel Hoffnung, dass sich die derzeitige Anzahl an amerikanischen Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe noch existiert, von aktuell 31 erneut verringern würde.
Jedoch entschied sich die Mehrheit aller Wähler in allen drei Bundesstaaten erneut für die Beibehaltung.
Mehr zu den einzelnen Volksentscheiden, den möglichen Gründen und Konsequenzen erfahren Sie im nächsten Teil des Blogs sowie auf der aktuellen Nachrichtenseite unserer Webseite.
Cornelia Goecke
Initiative gegen die Todesstrafe e.V.
18. November 2016