Präsidentschaftswahlen und Volksentscheide in Kalifornien, Nebraska und Oklahoma (2)

Welche Auswirkungen könnten die Wahlergebnisse auf die Entwicklung der Todesstrafe haben?

(Teil 2)

Volksentscheide in Oklahoma, Nebraska und Kalifornien: Mehrheit der Bürger befürwortet weiterhin die Todesstrafe

Der 8. November dieses Jahres hatte für Menschenrechtler und Gegner der Todesstrafe nicht nur wegen der Präsidentschaftswahl eine entscheidende Bedeutung. Denn zeitgleich fanden in zugleich drei amerikanischen Bundesstaaten Volksentscheide statt: So konnten sowohl in Oklahoma, Nebraska als auch in Kalifornien die Bürger über die Zukunft der Todesstrafe entscheiden.

In allen drei Staaten stimmte die Mehrheit der Wähler für die Beibehaltung der Todesstrafe als ultimatives Strafmaß. Die Ergebnisse riefen unter all jenen, die auf eine endgültige Abschaffung gehofft hatten, entsprechend tiefe Enttäuschung hervor. Sie kamen in mancher Hinsicht auch überraschend: Zwar war mit knappen Endergebnissen zu rechnen, doch hatte in der Tat Vieles für eine Kehrtwende gesprochen: Denn noch nie war der Anteil der amerikanischen Allgemeinbevölkerung, der die Todesstrafe befürwortet, derart niedrig gewesen wie in den letzten beiden Jahren. Umfrageergebnissen des Pew Research Centers zufolge hatte dieser in diesem Jahr mit nur noch 49 Prozent Befürwortern ein Rekordtief nach vier Jahrzehnten erreicht. Umgekehrt betrachtet stieg der Anteil der Bevölkerung, welcher die Todesstrafe kategorisch ablehnt, zwar langsam, jedoch kontinuierlich im Verlauf der letzten Jahre. Somit war nicht nur die Anzahl an Hinrichtungen und ausgesprochenen Todesurteilen gesunken, sondern es hatte sich auch ein allgemeiner Einstellungswandel in der Bevölkerung vollzogen.  

Entsprechend groß war die Hoffnung, dass sich die einzelnen amerikanischen Bundesstaaten sowie deren Bürger diesem Trend anschließen würden.

Das Augenmerk der drei Volksentscheide im November lag auf Kalifornien, dem Staat mit der amerikaweit größten Todestraktbevölkerung: Mit rund 750 zum Tode Verurteilten ist hier fast ein Viertel aller in Amerika zum Tode Verurteilten inhaftiert. Zugleich wurde seit 2006 insbesondere aufgrund der kritischen medizinisch-ethischen Diskussionen um die Hinrichtungsdrogen keine Exekution mehr durchgeführt. Fast 10 Jahre später – im November letzten Jahres – wurde das Hinrichtungsprotokoll geändert und wartet auf die Verabschiedung.

In diesem Monat konnten die kalifornischen Bürger entsprechend für die Beibehaltung der Todesstrafe (sog. „Proposition 66“) oder aber für ihre endgültige Abschaffung (sog. „Proposition 62“) stimmen. Im Ergebnis entschieden sich 51 Prozent der kalifornischen Wähler für die „Proposition 66“, welche neben der Aufrechterhaltung der Todesstrafe zugleich eine Beschleunigung der Todesstrafprozesse und Hinrichtungen anvisiert. 45,9 Prozent der Wähler stimmten für die „Proposition 62“, welche die Todesstrafe als ultimatives Strafmaß vollständig abgeschafft und diese durch lebenslängliche Freiheitsstrafen ohne Bewährung ersetzt hätte.

Auch in Oklahoma hatten Todesstrafengegner auf eine entscheidende und endgültige Kehrtwende gehofft. Im Vergleich zu Kalifornien befindet sich hier mit derzeit 47 zum Tode Verurteilten zwar eine weitaus niedrigere Anzahl an Insassen, jedoch gehört Oklahoma zu den wenig verbleibenden Bundesstaaten, welche im Verlauf der letzten Jahre weiterhin Hinrichtungen durchgeführt haben. Insbesondere die verpfuschte Hinrichtung Clayton D. Locketts im April 2014 hatte zu einem erneuten Aufschrei unter Menschenrechtlern geführt und wird all jenen, welche die Exekution mitverfolgt haben, wohl noch lange im Gedächtnis bleiben: So war C. Lockett entsprechend des in Oklahoma zum Einsatz kommende 3-Medikamenten-Cocktails zunächst ein Sedativum verabreicht worden, welches normalerweise zu einer vollständigen Bewusstlosigkeit hätte führen müssen. Entsprechend wurden ihm nach dieser ersten Injektion die beiden weiteren tödlichen Substanzen verabreicht. Die erwartete Bewusstlosigkeit hatte sich jedoch nicht eingestellt und so begann C. Locket nach der Verabreichung der zweiten und dritten Substanzen sich wieder zu bewegen, zu zucken und sich zu winden. Die Vorhänge zum Zeugenraum wurden daraufhin verschlossen. 15 Minuten später wurde sein endgültiger Tod bekannt gegeben.

Aus diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass den Bürgern Oklahomas die „State Question 776“ gestellt wurde: Durch diese konnten die Wähler darüber entscheiden, ob Exekutionen in ihrer derzeitigen Form eine ungewöhnliche und grausame Art der Bestrafung darstellen. Bei einem mehrheitlichen Ja hätte dies zu einer zwingenden gesetzlichen Abschaffung geführt, da eine Bejahung dieser Frage impliziert hätte, dass Hinrichtungen nicht verfassungskonform sind. Die Frage bejahten jedoch nur 33,6 Prozent der Wähler, während 66,4 Prozent die Ansicht vertraten, dass dies nicht so sei und Hinrichtungen damit keine außergewöhnliche und grausame Art der Bestrafung darstellen.  

Somit bleibt auch in Oklahoma die Todesstrafe weiterhin gesetzlich bestehen und die mögliche vollständige Abschaffung auf legislativer Ebene wird erneut zu einer Zukunftsvision.

Auch in Nebraska, wo sich derzeit zehn zum Tode verurteilte Insassen befinden, entschied sich die Mehrheit der Wähler mit 61,2 Prozent für die Todesstrafe und damit gegen die zur Option gestellte Alternative Lebenslängliche Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Zeitgleich mit den Wahlergebnissen wurden jedoch auch kritische Gegenstimmen laut, einschließlich auf politischer Ebene: So kündigte der ehemalige Abgeordnete und Senator Ernie Chambers bereits an, im Januar erneut einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Todesstrafe einzureichnen.  

Warum sich noch immer die Mehrheit der Wähler für die Beibehaltung der Todesstrafe entschieden hat, ist und bleibt spekulativ. In Nebraska vermutete der Senator des Bezirks Lincoln, dass die Entscheidung der Wähler eine Reaktion auf einen einzelnen, jedoch besonders schwerwiegenden Mord gewesen sei: Ein zuvor inhaftierter Insasse hatte nach seiner Freilassung im Jahr 2013 vier Menschen ermordet. In Kalifornien schienen sich die Wähler, die für die Beibehaltung, wie auch diejenigen, welche für die Abschaffung gestimmt hatten, zumindest in einem Punkt größtenteils einig gewesen zu sein: Die Todesstrafe als auch die Inhaftierung verschlingen Unsummen an finanziellen Ressourcen, welche anderen Bereichen zugute kommen könnten. Wenn auch unter Fachleuten bekannt ist, dass lebenslängliche Freiheitsstrafen die sowohl zeit- als auch kostengünstigere Alternative darstellen, so scheint sich diese Erkenntnis bei der Mehrheit der Wähler weiterhin nicht durchgesetzt zu haben.

Ob und wann es zu einer Wiederaufnahme an Hinrichtungen kommen kann, bleibt aufgrund der gesetzlich langwierigen Verfahren, die es zunächst zu durchlaufen gilt, als auch wegen der weiterhin bestehenden Beschaffungsproblematik im Zusammenhang mit den Exekutionsdrogen, abzuwarten. Unabhängig davon, wie wahrscheinlich es aus praktischen wie auch rechtlichen Gründen ist, dass es zu einer Beschleunigung an Hinrichtungen kommen könnte, waren die Wahlergebnisse aus Sicht von Gegnern der Todesstrafe ein eindeutiger Rückschritt. Nicht zuletzt hatte man gehofft, dass sich objektiv eindeutige Fakten, welche gravierende Justizmängel und -irrtümer offenlegten als auch zeigen, dass die Todesstrafe weder kostengünstiger ist noch ein abschreckendes Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung darstellt, auch in der breiten Bevölkerungsschicht zu einer Einstellungsänderung geführt hätte.

Bezüglich der Meinungsbildung wird mit Sicherheit auch der neu gewählte Präsident einen weiteren Einfluss auf die Ansichten der breiten Bevölkerungsschicht haben. Die ersten entscheidenden Änderungen werden sich wohl durch die Nominierung und somit die Auswahl des neuen Richters am Obersten Gerichtshof zeigen. Auch ob die Kriminalität entsprechend der Ansichten Donald Trumps durch eine Lockerung und weitere Liberalisierung der Waffengesetze in Zukunft eingedämmt oder aber es zu einer noch höheren Todes- wie auch Mordrate kommen wird, wird sich zeigen.

Der diesjährige November stellte somit aus Sicht von Menschenrechtlern und allen Gegnern der Todesstrafe einen bewegenden Monat dar. Gehofft wird weiterhin, dass nicht noch mehr Menschen mit ihrem Leben bezahlen werden. In diesem Sinne möchten wir auch auf den Aktionstag „Cities for Life“ am Mittwoch, den 30. November hinweisen. 

Cornelia Goecke
Initiative gegen die Todesstrafe e.V.

28. November 2016

Quellen und weitere Informationen finden Sie in den folgenden Artikeln und Webseiten:

„Donald Trump dismisses power of the press in post-election TV interview“, The Huffington Post/ PEN AMERICA Newsletter vom 14. November 2016; „US Wahlen 2016: Ergebnisse und News im Überblick„, Focus online vom 14. November 2016; „Reality Check: Who voted voted for Donald Trump“, BBC News vom 9. November 2016; „Donald Trump on Crime: 2016 Republican nominee for President; 2000 Reform Primary Challenger for President“, On the Issues, Interview vom 2. August 2015;“2016 Presidential Candidates on Capital Punishment“, abgerufen am 16. November 2016; „Lawmaker proposes firing squad, nitrogen for executions“, The Anniston Star vom 15. November 2016; „Election 2016: Nebraska, Oklahoma Vote in Favor of Death Penalty“, NBC News vom 9. November 2016; “U.S. Death Penalty: The Future of the Death Penalty Will Be Decided in These 3 States“, Time vom 7. November 2016; „Nebraskans vote overwhelmingly to restore death penalty, nullify historic 2015 vote by State Legislatur“, Omaha World-Herald vom 9. November 2016; „California 2016 election results„, 8. November 2016.

Weitere Informationen bezüglich der einzelnen Volksentscheide finden Sie im Nachrichtenarchiv; weitere Fakten und Statistiken bezüglich der Kosten der Todesstrafe in Amerika finden Sie zusätzlich in vorherigen Blogbeiträgen sowie auf weiteren Seiten der Homepage.