Welttag gegen die Todesstrafe – FRAUEN im Todestrakt – Teil 5: Cathy Sarinana, Kalifornien (USA)
FRAUEN in der Todeszelle:
Ungesehene Realität

Am 10. Oktober 2021 ist der 19. Welttag gegen die Todesstrafe den Frauen gewidmet,
… die von einer Verurteilung zum Tode bedroht sind,
… die ein Todesurteil erhalten haben,
… die hingerichtet wurden, sowie
… denen, deren Todesurteil umgewandelt oder wegen Unschuld aufgehoben wurde.
Cathy Sarinana (45) lebt seit 2009 im Todestrakt von Kalifornien. Das Todesurteil erhielten sie und ihr früherer Ehemann, weil sie für den Tod ihrer beiden Neffen (11 und 13 Jahre) im Jahr 2005 verantwortlich gemacht werden. Cathy und Raul Sarinana hatten bereits zwei eigene Kinder, als sie ihre Neffen vorübergehend bei sich aufnahmen. Von grausamer Misshandlung ist die Rede in den Medienberichten, doch es bleibt letztlich unklar, auf wessen Konto des Ehepaars die Resultate des Autopsie-Berichts gehen.
Während der mutmaßliche Tathergang in Zeitungsberichten in glühenden Farben geschildert wird, gibt es kaum etwas über Cathys eigene Vergangenheit zu lesen – inwieweit sie selbst Misshandlungsopfer gewesen ist oder ob sie häuslicher Gewalt durch ihren Ehemann ausgesetzt war. Oder inwieweit sie mit plötzlich vier statt zwei Kindern hochgradig überfordert war oder ob sie Drogen nahm.

All das wäre zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung bis zu einem gewissen Grad. Das Jugendamt jedenfalls hat trotz mehrerer Hinweise nicht eingegriffen und somit versagt. Dass man nichts darüber liest, was Cathys Verteidiger vor Gericht über sie vorbrachten, lässt möglicherweise Rückschlüsse auf die Qualität der Verteidigung zu – häufig genug leisten Pflichtverteidiger aufgrund von schlechter Bezahlung und mangelnder Erfahrung schlechte Arbeit.
Aufgrund des Themenschwerpunkts des diesjährigen Welttages gegen die Todesstrafe hatten wir die rund 50 Frauen in den US-Todeszellen angeschrieben und nach Beiträgen gefragt, um ihnen eine Stimme zu geben, und darüber hinaus Vermittlung von Briefkontakten angeboten. Cathy schickte der Initiative gegen die Todesstrafe e.V. diese Zeichnung:

„Happy Thanksgiving“ – das Erntedankfest, das in den USA am vierten Donnerstag im November gefeiert wird, hat bei den Amerikanern traditionell einen hohen Stellenwert als Familienfest. Möglicherweise steht hinter Cathys Zeichnung die Sehnsucht nach einer intakten und liebevollen Familie, die sie weder hatte noch geben konnte.
„Happy Thanksgiving“ – das ist aber vielleicht nicht nur die Sehnsucht nach der Familie und nach „Normalität“. Es ist möglicherweise auch der Wunsch für ihre beiden leiblichen Kinder, dass sie ein glückliches Leben haben mögen und ihren Eltern eines Tages verzeihen können.
Cathy Sarinana wäre nicht die erste, die ihre Taten aufrichtig bereut. Die ältere Schwester der Opfer hält das Todesurteil für ihre Tante und ihren Onkel für angemessen – es würde bei Vollstreckung jedoch nur neues Leid erzeugen. So schwer es ist, die verständlichen Empfindungen von Hass und Wut loszulassen – am Ende wäre es eine lohnenswerte Befreiung von Gefühlen, die einen innerlich auffressen.
In unser Formular für die Einreichung des Beitrags schrieb Cathy in die Spalte mit der Frage, ob sie uns noch etwas mitteilen möchte: „Thank you for your kindness!“ Vielleicht ist Cathy einfach ein höflicher Mensch. Möglicherweise aber hat sie eine besondere Wertschätzung für ihr entgegengebrachte Freundlichkeit, weil sie in ihrem Leben nicht viel Freundlichkeit erfahren hat…
Mehrere Frauen in den US-Todestrakten suchen über unsere Website nach Brieffreunden – so in Arizona (Sammantha U.), Kalifornien (Tanya N. und Cherie R.), Mississippi (Lisa C.) und North Carolina (Carlette P.). Besuchen Sie unsere Brieffreundschaftsseiten!
Gabi Uhl
Initiative gegen die Todesstrafe e.V.