Jahresbericht von Amnesty International über die Todesstrafe zeigt Anstieg von Hinrichtungen

Der neue Bericht von Amnesty International zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe dokumentiert für das Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern. 90 Prozent der weltweit registrierten Hinrichtungen wurden von nur drei Ländern in der Region Naher Osten und Nordafrika durchgeführt.

Die Zahl der erfassten Hinrichtungen im Iran stieg von 314 in 2021 auf 576 in 2022. In Saudi-Arabien verdreifachte sich die Zahl von 65 in 2021 auf 196 in 2022. In Ägypten wurden 24 Menschen hingerichtet. Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: „Wir beobachten derzeit eine beispiellose Welle an Hinrichtungen im Iran. Die UN geht davon aus, dass in diesem Jahr bereits insgesamt mindestens 209 Menschen im Iran hingerichtet wurden.“

In einigen Ländern wie China, Nordkorea und Vietnam, die für den häufigen Einsatz der Todesstrafe bekannt sind, blieben die Hinrichtungszahlen geheim, sodass das tatsächliche Ausmaß der weltweit durchgeführten Hinrichtungen weitaus größer ist. Auch wenn die genaue Zahl der in China hingerichteten Menschen nicht bekannt ist, besteht kein Zweifel daran, dass das Land nach wie vor jährlich tausende Exekutionen durchführt – noch vor dem Iran, Saudi-Arabien, Ägypten und den USA.

Während die Zahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen gegenüber dem Vorjahr deutlich stieg, verzeichnete die Anzahl der verhängten Todesurteile einen leichten Rückgang von 2.052 in 2021 auf 2.016 in 2022. 2022 wurden in Afghanistan, Kuwait, Myanmar, Palästina (Gazastreifen) und Singapur nach Unterbrechungen wieder Todesurteile vollstreckt. In den USA stieg die Zahl der Hinrichtungen von elf im Vorjahr auf 18 in 2022.

Die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit Drogendelikten exekutiert wurden, hat sich 2022 im Vergleich zu 2021 mehr als verdoppelt. Hinrichtungen wegen Drogenstraftaten sind ein Verstoß gegen internationales Recht, das die Verhängung der Todesstrafe auf „schwerste Verbrechen“ beschränkt – das sind Verbrechen, die eine vorsätzliche Tötung beinhalten. Derartige Hinrichtungen wurden in China, Iran (255), Saudi-Arabien (57) und Singapur (11) verzeichnet. Auch in Vietnam gab es vermutlich Hinrichtungen wegen Betäubungsmittelstraftaten, allerdings hält der Staat die entsprechenden Zahlen geheim.

Aber auch positive Entwicklungen sind zu verzeichnen: Sechs Länder schafften 2022 die Todesstrafe vollständig oder zum Teil ab. In Kasachstan, Papua-Neuguinea, Sierra Leone sowie in der Zentralafrikanischen Republik wurde die Todesstrafe für alle Straftaten aufgegeben, in Äquatorialguinea und Sambia nur für gewöhnliche Verbrechen. Bis Jahresende 2022 hatten insgesamt 112 Länder die Todesstrafe für alle Straftaten aus ihrem Recht getilgt.

Eine weitere positive Entwicklung gab es in Liberia und Ghana: Beide Länder haben rechtliche Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe eingeleitet. Die Behörden von Sri Lanka und den Malediven gaben zudem bekannt, künftig auf die Vollstreckung von Todesurteilen verzichten zu wollen. In Malaysia haben beide Kammern des Parlaments Gesetzesentwürfen zur Abschaffung der obligatorischen Todesstrafe zugestimmt.

Immer mehr Länder weltweit geben die Todesstrafe auf. Im Dezember 2022 unterstützte bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eine noch nie dagewesene Anzahl von 125 UN-Mitgliedsstaaten eine Resolution, die die Einführung eines weltweiten Hinrichtungsmoratoriums mit dem Ziel der vollständigen Abschaffung der Todesstrafe fordert.

Weitere Informationen:
Amnesty International Global Report – Death Sentences and Executions 2022
Amnesty International – Todesurteile und Hinrichtungen 2022 – Bericht in Auszügen
Amnesty International – Todesurteile und Hinrichtungen 2022 – Zahlen und Fakten
Amnesty International – Todesurteile und Hinrichtungen 2022 – Länderübersicht

Quelle: https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/todesstrafe-hinrichtungen-weltweit-amnesty-bericht-2022